Der richtige Schnitt von Kernobst
von Johannes Kube, Landesgartenfachberater Sachsen
Viele Klein- und Hobbygärtner stehen im Winter wieder mit Schere und Säge bereit, um den jährlichen Obstbaumschnitt durchzuführen. Ein immer wiederkehrendes Ritual.
Ohne Zweifel ist der richtige Obstbaumschnitt auch bei Kernobst jedes Jahr notwendig.
Doch eine wichtige Frage lautet: Ist denn der Winterschnitt wirklich der richtige Zeitpunkt, diese Obstgehölze zur gewünschten Form und Reaktion zu bringen?
In der Vergangenheit wurde oft gesagt: „Geschnitten wird im Winter!“
Nach den neuesten Erkenntnissen ist aber der Winterschnitt eher eine Ausnahme. Wenn man die verschiedenen Schnittzeitpunkte berücksichtigt, können die Kernobstbäume zur richtigen und gewünschten Wuchsreaktion angeregt werden.
Wie soll es nun richtig sein?
Hier ist ein Kernobst – Jahresschnittkalender:
Der Baumschnitt von Februar bis Knospenaufbruch
Wenn der Wuchs des Baumes nur mäßig gefördert werden soll, ist dieser Zeitraum dafür genau richtig. Dichte Kronen können ausgelichtet und überalterte Fruchtäste entfernt werden. Wenn ein Baum umveredelt werden soll, kann die alte Krone im Februar abgesetzt werden.
Es wird aber bei den Schnittmaßnahmen darauf geachtet, dass trockenes Wetter herrscht. Es kann bedenkenlos bis 0 ° Celsius geschnitten werden. Schnitte müssen glatt sein und größere Schnittstellen müssen geglättet und mit Baumwachs oder Latex verstrichen werden.
Letzteres gilt zu jeder Jahreszeit.
Der Baumschnitt noch vor der Blüte
Wenn die Knospen mit dem beginnenden Frühling aufgebrochen sind, entwickeln sie sich rasch zu Blättern und Blütenständen. Sie verbrauchen dabei die Reservestoffe, die in den Knospen eingelagert waren.
Der Schnitt in der Vorblüte, der die Reserven für die Knospen einfach abschneidet, schwächt den Neutrieb von allen Schnittzeitpunkten am stärksten. Soll also der Wuchs stark gebremst werden, ist die Vorblütezeit für den Schnitt genau richtig. Ein mehrjähriger Baum, der stark wächst und nicht blüht, kann so zum Blühen angeregt werden. Die bessere Möglichkeit ist allerdings, die steilen, starken Triebe herunterzubinden.
Der Baumschnitt zur und nach der Blüte bis Mitte August
Zu dieser Zeit entstehen die Neutriebe. Dabei sorgt der Spitzentrieb mit Hemmstoffen dafür, dass die Seitenknospen nur wenig austreiben und das Wuchsbild eines Baumes entsteht. Wird die Triebspitze entfernt, treiben die vorher unterdrückten Seitenknospen aus; der Baum verzweigt. Jeder Schnitteingriff wird mit dem Austrieb von Seitenknospen beantwortet. Dieser Schnitt wäre angebracht, wenn die Mittelachse des Baumes schlecht verzweigt.
Doch Vorsicht: Der Schnitt zur oder kurz nach der Blüte führt dazu, dass besonders bei der Birne viele kleine Früchte abfallen. Ist das nicht gewünscht, sollte statt des Schnittes zu dieser Zeit besser der verkahlte steile Trieb herunter gebunden werden.
Im Juli können die noch nicht verholzten, steilen Triebe ausgerissen werden. Damit werden auch die Augen um den Trieb mit entfernt. Die Risswunden verheilen schnell.
Der Baumschnitt von Mitte August bis zum Blattfall
Im Spätsommer sondern die Blätter einen Hemmstoff ab, der den Austrieb der neu angelegten Knospen verhindert. Wird jetzt geschnitten, treiben die Seitenknospen nur schwach oder gar nicht aus. Wird ein Birnbaum zu zeitig geschnitten, entstehen lange Neutriebe ohne Blütenknospe. Sie sind im Winter nicht genügend ausgereift und erfrieren sehr schnell.
Der schwache oder ganz ausbleibende Austrieb ab dem 20. August kann genutzt werden, um zu stark wachsende Bäume zu beruhigen. Stark wachsende steile Triebe werden auf schwächere abgesetzt und so die Wuchskraft auf viele schwache Triebe verteilt.
Der Baum setzt Blüten an und die Krone wird über die Jahre dichter, der Wuchs mäßig gebremst. Der sogenannte „Augustschnitt“ ist auch bestens geeignet, zu hohe Kronen herunterzusägen. Der Kopf des Baumes wird im Folgejahr nicht wie ein Besen aussehen, sondern sehr bald kurzes, kräftiges Fruchtholz bilden.
Der Baumschnitt von November bis Januar
In den letzten Wochen vor dem Vegetationsende ziehen die Bäume Nährstoffe aus den Blättern in die Knospen zurück. Äußerlich ist dieser Vorgang als Blattfärbung zu erkennen. Nach dem Blattfall im November sind die Knospen in tiefer Winterruhe, aus der sie erst das folgende Frühjahr herausholen kann.
Der Schnitt kurz nach dem Blattfall schwächt die Nährstoffreserven nicht und im folgenden Frühjahr treiben die Bäume sehr stark aus. Der Zeitraum ist deshalb besonders geeignet, um vergreiste Bäume mit geringen Neuwuchs und kleinen Früchten zu verjüngen. Zu beachten ist allerdings stets, dass das Infektionsrisiko mit Pilzerkrankungen im November / Dezember sehr stark ist. Der Wundverschluss ist in dieser Zeit besonders dringend notwendig.
Es muss uns aber klar sein, dass auch der richtige Baumschnitt andere Kulturfehler nicht ausgleichen kann. Der geeignete Standort, die richtige Sortenwahl, der Pflanzenschutz und die Düngung sind ebenso wichtig wie der fachlich richtige Obstbaumschnitt.